Klimapilgern

Martin Eiselt war in diesen Tagen in Sachsen unterwegs: Klimapilgern - Klimaschutz in christlicher Sicht. Hier ist sein Bericht.

04.11.18 –

Etappenbericht Nossen-Meißen Dresden-Radeberg

„Pilgern ist Beten mit Füßen“- Diese alte Weisheit kam in einer der Morgenandachten zum Gehör. Und ja, diese Erfahrung haben wir gemacht. Es ist noch etwas Anderes dabei, als zu wandern, sich zu bewegen, Freude an der Natur und an den Gesprächen mit den Mitpilgernden zu haben. Was ist dieses Andere, dieses Mehr? Wir würden sagen, das gemeinschaftliche Laufen für eine Idee, für ein Ziel, eine Demonstration durch Präsenz, mit Transparent aber ohne lautes Hinausschreien der Botschaft, ein Ins-Gespräch-Kommen mit Mitpilgernden, wie Klimaschutz in den anderen Kirchengemeinden, den Kitas, den Kommunen, aber vor allem auch ganz privat praktiziert werden kann. Es sind Gespräche mit den Menschen, die auf den Pilgerzug am Weg aufmerksam werden und diesen Menschen zu erzählen, dass die Strecke von Bonn nach Katowice verläuft, vom Ort der letzten Klimakonferenz zum Ort der nächsten Klimakonferenz und das gute Gefühl zu teilen, ein Teil dieser Bewegung zu sein.

www.klimapilgern.de ist die Internetpräsenz der Aktion und dort sind die Etappen zu finden. Interessierte können sich dort über die Etappen informieren und sich anmelden, denn der Pilgerzug kommt erst noch in unsere Region und wer will, kann sich als Tagespilger dem Zug anschließen. Oder wie wir für ein paar Tage mitlaufen. Es gibt immer etwas zu sehen, zu erfahren und zu erleben. Willkommen sind alle Menschen, die sich für die Fragen um das Thema Klimagerechtigkeit interessieren. Der dritte ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit von Bonn nach Katowice führt über 1700 km und wird durch mehrere evangelische und katholische Kirchen getragen. Kirchgemeinden vieler Konfessionen und Umweltgruppen haben ihn mit viel Engagement und Liebe zum Detail und den Pilgerbedürfnissen entsprechend vorbereitet.

Wir sind für 4 Tage mitgepilgert von Nossen über Meißen und Dresden nach Radeberg. Am Abend gibt es Vorträge, Podiumsdiskussionen oder auch mal einen Empfang im Rathaus wie in Dresden. In Nossen stand ein regionales Thema auf der Agenda: Auswirkungen des Klimawandels in Sachsen auf Landwirtschaft, Forst und Wasserwirtschaft. Extremwetterlagen bewirken Dürre, Abnahme der Trinkwasserreserven und auf der anderen Seite Starkregen.

Wie immer nach den Veranstaltungen machte der Landzeitpilger und Mitorganisator, der Potsdamer Christian Seidel auf die die Klimagerechtigkeitsklage von Saul Luciano aufmerksam. Der Kleinbauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya aus Peru hat im November 2015 beim Landgericht Essen Klage gegen RWE eingereicht. Der Grund: Die gewaltigen Emissionsmengen des Energiekonzerns gefährden seine Familie, sein Eigentum sowie einen großen Teil seiner Heimatstadt Huaraz. Ein durch den Klimawandel schnell wachsender Gletschersee wird zum Risiko für die 120.000-Einwohner-Stadt in den Anden. Die Pilger unterstützen die Gutachten, die jetzt dazu erstellt werden. RWE ist mit 0,5% an der weltweiten CO2-Emission beteiligt, ist damit aber größter europäischer Einzelemittent. Es geht um den vergleichsweise geringen Betrag von 17.000€, die 0,5% der Kosten der Sicherungsmaßnahmen darstellen und die RWE locker bezahlen könnte, wenn es nicht um einen Präzedenzfall gehen würde.

In Meißen war das Thema "Streitfall Klimawandel", ein Vortrag von Jörg Matschullat, Professor für Geochemie und Geoökologie und Leiter des Interdisziplinären Ökologischen Zentrums der TU Bergakademie Freiberg. Es ging um Erderwärmung und den Beitrag von den verschiedenen Treibhausgasen. Dabei wurde der Kontext aufbereitet, dass CO2 als Treibhausgas in der richtigen Konzentration wichtig ist, um die Temperatur auf der Erde bei einem Mittelwert von 15 Grad zu halten. Ohne CO2 in der Atmosphäre wäre die Temperatur bei minus 18 Grad. Dass diese gute Konzentration von CO2 bereits seit mehr als 30 Jahren überschritten wird, hat inzwischen jeder zigmal gehört. Und es sind weltweit die Auswirkungen unter anderem in Form von Naturkatastrophen zu beobachten. Am nächsten Morgen hielt Landesbischof Rentzing mit uns die Andacht im Meißner Dom und dann startete der Pilgertag zunächst durch Meißen und danach ging es weiter auf dem Weg an der Elbe entlang.

In Dresden wurden wir in der Friedrichstadt zunächst in der Matthäuskirche von einem Posaunenchor empfangen und mit Kaffee und Kuchen versorgt. Nach 24 Kilometer war die leibliche Stärkung genau das, was wir brauchten und dankbar annahmen. Später am Abend gab es einen Empfang im Rathaus durch Bürgermeisterin und Beigeordnete für Umwelt und Kommunalwirtschaft Eva Jähnigen, die uns berichtete, wie die Stadt Dresden dem Klimawandel begegnet, zum Beispiel, dass die öffentlichen Verkehrsmittel ständig erweitert und der Takt verdichtet wird. Durch eine Befragung der Dresdner durch die Stadt wurde offenbar, dass die Dresdner Bürger Kultur und Bildung am meisten schätzen, danach aber gleich das gute Funktionieren des öffentlichen Nahverkehrs ihnen wichtig ist. Wir fragten nach und erfuhren dann aber auch, dass die Stadt Dresden bislang kein festes zeitliches Ziel für eine CO2-Neutralität für Rathaus, städtische Einrichtungen und Wohnungen hat. Es bleibt also noch viel auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Kommune zu tun.

Am nächsten Tag gab es einen Aktionstag in Dresden. An diesen Tagen wird nicht gepilgert, sondern die Pilger wollen in den Städten mit Transparent und kleinen Bannern an den Rucksäcken gesehen werden und mit Menschen ins Gespräch kommen. Es gibt aber auch Termine mit Politik, Unternehmen, Organisationen wie dem BUND und den Kirchen. Bei einem Besuch im Landtag wurde die Klimapilgeraktion wertgeschätzt. Aber auch hier haben wir nachgefragt und da uns der Direktor des Landtages, Dr. Metz, ein ranghoher Ministerialbeamter als Gesprächspartner zur Verfügung stand, haben wir gefragt, ob der Landtag denn schon mit Energie aus erneuerbaren Energiequellen versorgt wird. Das ist bislang leider nicht der Fall und war auch noch nicht Thema obgleich der Aufwand dafür doch relativ gering ist gemessen an den anderen Themen, die im Landtag bewegt werden. So konnten wir hier vielleicht einen Impuls geben und sind gespannt, ob dieser aufgenommen wird. Auf jeden Fall haben wir seitens des Regierungsdirektors viel guten Willen gespürt, dieses Thema auf der politischen Ebene zur Sprache zu bringen.

Ein weiterer wichtiger Termin war der Besuch bei Volkswagen in der Gläsernen Manufaktur, wo der E-Golf gebaut wird, das weltweit am meisten verkaufte Elektroauto. Wir erfuhren, dass VW bis 2030 weltweit eine Summe von 34 Milliarden in die weitere Entwicklung von Elektromobilität investieren will. Zwickau wird größtes Kompetenzzentrum in Europa. Auch konnten wir die Fertigung des E-Golfs beobachten und das neue Modell, den ID, der mit einem Preis von unter 30.000 Euro einen großen Kundenkreis erreichen soll. Der Leiter der Unternehmenskommunikation, Herr Dr. Krebs war auch bereit, sich den kritischen Fragen von Frau Schurath von INKOTA zu stellen. Frau Schurath sagt dazu: „Ohne Kobalt gibt es keine Batterien für Elektromobilität. Weltweit wichtigstes Abbauland des Erzes ist die Demokratische Republik Kongo. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, die Umwelt wird zerstört. Doch die Autoindustrie will kaum Verantwortung für diese Missstände übernehmen und stellt sich gegen verbindliche Regeln für eine menschenrechtliche Sorgfalt. Auch die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit. Es ist an der Zeit, dies zu ändern.“ Der Zweck der E-Mobilität darf nicht die Mittel heiligen, in den Minen in Afrika Menschenrechtsverletzungen und gesundheitliche Einschränkungen zuzulassen. Herr Krebs konnte zwar noch nicht berichten, dass VW bereits eine lückenlose Zertifizierung der mehrstufigen Lieferkette hinsichtlich von fairen Arbeitsbedingungen und Aspekten des Umweltschutzes eingeführt hätte. Er sprach aber davon, dass gegenwärtig Kriterien dafür in Arbeit sind und bot an, diese Kriterien zusammen mit INKOTA zu diskutieren. Was die CO2-Neutralität des Werkes in Dresden angeht, wurde berichtet, dass die Montage mit Strom aus regenerativen Energiequellen betrieben wird. Allerdings ist VW als globales Unternehmen mit Fabriken in vielen Ländern noch weit davon entfernt, überall CO2-neutral zu produzieren und noch weiter, wenn es darum geht, sämtliche Zulieferteile CO2-neutral zu erzeugen.

Am Abend fand eine Andacht in der Frauenkirche mit der katholischen Theologin und Leiterin des ÖIZ, Elisabeth Naendorf, statt. In dieser wurde daran erinnert, dass bereits in den frühen 80-er Jahren Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung in den Mittelpunkt christlichen Denken und Handels gerückt wurde und dieses als konziliarer Prozess bezeichnet wurde. Diese Bezeichnung wurde gewählt, um damit die grundlegende Bedeutung wie die großen Kirchenkonzile zu unterstreichen. Dieser konziliare Prozess ist angesichts der Erderwärmung immer noch von großer Bedeutung und nicht abgeschlossen. Es erfordert Mut, sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, gerade weil politische Strömungen überall auf der Welt, auch in Deutschland und auch in Sachsen die Menschen glauben machen wollen, dass alles nicht so dramatisch ist und dass es trotz Erderwärmung so weiter gehen kann wie bisher.

An der anschließenden Podiumsdiskussion nahm Herr Dr. Thomas Gröger. Referatsleiter im sächsischen Umweltministeriums, die Beigeordnete für Umwelt der Stadt Dresden Frau Jähnigen, der Landesvorsitzender des BUND Sachsen, Herr Professor Felix Eckardt sowie Frau Christine Müller als Vertreterin der Kirchen teil. Ulrich Clausen vom Bistum Dresden-Meißen und Antonia Mertsching vom Entwicklungspolitischen Netz Sachsen hatten die Veranstaltung organisiert. An dieser Stelle soll nur erwähnt werden, dass seitens des Regierungsvertreters keine Auskunft darüber gegeben werden konnte, ob die Staatskanzlei bereits mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt wird. Es gibt weiterhin kein konkretes zeitliches Ziel für die Klimaneutralität des Betriebes der Staatskanzlei und anderer Immobilien im Besitz des Freistaates. Wenn es dazu keine Festlegungen gibt, wie will man dann erwarten, dass das Bundesland insgesamt Entscheidendes zum Klimaschutz beiträgt?

Am nächsten Tag gab es die Morgenandacht in der methodistischen Kirche mit dem Sozialen Glaubensbekenntnis (http://www.emk-kircheundgesellschaft.ch/de/soziales-bekenntnis/das-soziale-bekenntnis.html).

Anschließend hat der Geschäftsführer des BUND Sachsen am Beginn der Etappe nach Radeberg in einer kurzen Ansprache zum Ausdruck gebracht, dass der Ausstieg Sachsens aus der Kohleverstromung bis 2064, wie zuletzt vom Freistaat dargelegt, nicht akzeptabel ist, sondern sehr viel früher im Zeitraum 2025 bis 2030 erfolgen muss, wenn der ökologische Fußabdruck nicht das Ziel für globale Erderwärmung gefährden soll. Etliche BUND-Aktive zogen anschließend mit uns Pilgern durch die Stadt auf den Weißen Hirsch, wo wir in der evangelischen Jugendbildungsstätte durch den Landesjugendpfarrer Tobias Bilz begrüßt wurden und einen Imbiss genießen durften.Weiter ging es durch die Dresdner Heide in die Stadt Radeberg, wo wir in der apostolischen Gemeinschaft empfangen wurden.

Und dann hieß es für uns leider Abschied nehmen und das passiert in der Pilgergemeinschaft immer mit dem Liedvers „Möge die Straße uns zusammenführen und der Wind in deinem Rücken sein…“. Und wir haben uns vorgenommen, die Pilger nochmal wiederzusehen, bei uns in der Region in Potsdam am 22.11. Und wir würden uns sehr freuen, wenn uns Einige von Euch begleiten, die Ihr diesen Artikel lest. Für Interessierte, die zwischendurch wissen wollen, was den Pilgern begegnet, sei der Blog www.klimapilgern.de/blog empfohlen.

Annette Berg & Martin Eiselt, Falkensee

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Falkensee | Kreisverband Havelland | Umwelt

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