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26.11.17 –
Ich weiß nicht, wie oft betont worden ist, dass die Grünen gestärkt aus dieser Zeit der Sondierungen hervorgegangen sind. Ich finde das auch, die Führungsgruppe hat sich als kompetent, belastbar und verantwortungsbewusst gezeigt.
Immer wieder wurde auch gesagt, dass das in den Sondierungen schon Erreichte sehr vorzeigbar war: 7 Gigawatt weniger Kohlestrom hätte einer Minderung von etwa einem Drittel dessen entsprochen, was für die Erreichung der Klimaziele 2020 für notwendig angesehen wird, es wäre etwas geschehen zur Bekämpfung von Kinderarmut, kostenloses Schulessen etwa. Es gab mehr Beispiele aus der Landwirtschaft, aus dem Bereich der Digitalisierung und der Inneren Sicherheit (keine anlasslose Vorratsdatenspeicherung) und mehr.
In die Trauer mischen sich Fragen nach der Zukunft. Notiert habe ich mir, was Winfried Kretschmann (sinngemäß) gesagt hat: Dass sich gezeigt hat, dass sich die Parteien in Deutschland (doch) grundlegend unterscheiden, das ist der kollaterale Nutzen des Scheiterns der Sondierungen.
Und Büti: Es kommt nicht so sehr darauf an, dass wir uns gut finden und die anderen es nicht so drauf haben, sondern darauf, dass wir in naher Zukunft mehr und neue Allianzen schmieden, die uns in Fragen des Klimaschutzes und für Europa unterstützen.
Ein anderer Redner (Beppo Brem) hatte schon darauf hingewiesen, dass wir Grünen mehr Bündnispartner in der Gesellschaft (in der Bürgergesellschaft, in den Initiativen und einem Teil der Verbände) haben als in den anderen Parteien.
Es ist schon eine seltsame Beobachtung, dass wir hinsichtlich unserer Kernforderungen (Kohleausstieg, offene Gesellschaft, selbst in der Flüchtlingspolitik) von Mehrheiten zum Teil großen Mehrheiten der Bürger*innen unterstützt werden, aber nicht einmal von 10 % gewählt werden.
Dass wir diese Unterstützung aber haben, ist gut. Die Aufgabe in den Gliederungen der Partei ist nun, denke ich, die Kontakte zu den Initiativen und Bewegungen zu halten und zu pflegen - networking. Das geht gut arbeitsteilig, ist also eine feine Aufgabe für die Orts- und Kreisverbände.
Ganz sicher ein Highlight war der Beitrag von Prof. Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Ich kann hier nicht seinen ganzen Inhalt widergeben. Es ging um die berühmten Kipppunkte und dass sie näher rücken und mehr. Einen Satz habe ich mir mit Blick auf unsere künftige Strategie gemerkt. Der ging (etwa) so: Die Menschen im Land brauchen ein positives ökologisches Narrativ.
Wir müssen z. B. klar machen, dass Investitionen in eine ökologischere Zukunft, die jetzt vielleicht auch wehtun, nicht (nur) dazu dienen, die Zukunft weniger schlecht zu machen, sondern – wenn es gut geht – dazu, die Zukunft besser zu machen.
Das passt zu einem Beitrag, den ein anderer Redner gebracht hatte: Wir müssen den Kontakt zur jungen Start-up-Szene suchen. Weil Start-ups mit Zukunftshoffnung verbunden sind, dürfen wir diese Szene nicht den Flachdenkern überlassen.
Eberhard Müller aus Schönwalde hat es geschafft, als einer der gelosten Redner auftreten zu dürfen. Er hatte vor allem die immer krasser werdende Ungleichheit der Verteilung des Reichtums in der deutschen Gesellschaft und die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen im Blick. Seinen Redebeitrag (bearbeitet) dokumentieren wir an dieser Stelle:
Eberhard Müller
KV Havelland
Redebeitrag bei der BDK von Bündnis 90 / Die Grünen am 25. November 2017 in Berlin
Die bisherigen Redebeiträge auf dieser BDK machen die entschiedene Position der Bündnisgrünen zur Klimapolitik, zur Ökologie, gegen die Massentierhaltung usw. deutlich. Diese Positionen sind in die Sondierungsverhandlungen zu einer möglichen Jamaika-Koalition sichtbar eingebracht worden. Einen Dank an das SondiererInnen-Team! Und auch einen Dank an den heutigen Gastvortrag von Prof. Schellnhuber auf dieser BDK! Dieser Teil des grünen Profils ist gut konturiert und steht ohne Abstriche.
Doch wir brauchen eine Stärkung des Sozialen im bündnisgrünen Profil. Bei den Jamaika-Verhandlungen wurden wichtige Elemente sozialer Gerechtigkeit von uns Bündnisgrünen eingeführt, worauf heute hingewiesen wurde. Doch das reicht nicht. Es gibt große Ungerechtigkeit in Deutschland, vor allem bei der Vermögensverteilung. Nach den gegenwärtig gültigen politischen Spielregeln haben wir eine hohe Dynamik der Vermögenskonzentration. Die vier Reichsten in Deutschland besitzen 1 Prozent des gesamten Vermögens der Volkswirtschaft! 1 Prozent von mehr als 12.000 Mrd EUR! Die Wachstumsrate großer Vermögen wächst mit der Größe der Vermögen. Die langfristige Rendite eines Vermögens von 30 Mrd EUR liegt durchschnittlich bei 10 Prozent jährlich - nach den Ergebnissen der Forschungsgruppe um den französischen Ökonomen Thomas Piketty. Nach 10 Legislaturperioden (40 Jahre) besitzen die vier Reichsten 30 Prozent des gesamten Vermögens der Volkswirtschaft! Das heißt: Hier läuft eine fatale Konzentration von Vermögen - ganz von selbst. Das passiert mit exponentiellem Wachstum, wissenschaftlich ausgedrückt.
Wenn ich den Vorschlag von Tony Hofreiter hinzunehme: Wir Grünen brauchen mehr politisches Gewicht, um unsere Ziele zu verwirklichen. Dann müssen wir gerade beim Thema soziale Gerechtigkeit nachlegen. Mein Vorschlag wäre, die Vermögensteuer wieder zu erheben. Ich habe das Gefühl, bei den Grünen ist die Vermögensteuer der "rosa Elefant", der durch den Raum wandert, über den aber nicht gesprochen wird. Diesen rosa Elefanten müssen wir vorführen. Wir müssen an die Vermögensteuer ran. Wir müssen die Vermögensteuer einsetzen zur Stabilisierung der Renten. Wir müssen die Spaltung zwischen Arm und Reich in Deutschland überwinden. Das ist ein Gebot der Politik, ein Gebot der Humanität. Und das ist auch machbar.
Für die weiteren Schritte, für die kommenden Jahre empfehle ich, diesen Punkt stark zu machen. Längerfristig plädiere ich für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch wenn es nicht in den 10 Punkten zum Bundestagswahlkampf 2017 steht, müssen wir es weiterentwickeln. Mein Appell zu einem Schwenk! Vieles ist passiert zur Stärkung der sozialen Flanke. Aber es ist nicht alles passiert, was nötig ist. Es geht um den Bestand der Demokratie und um soziale Gerechtigkeit schlechthin.
Ich danke Euch.
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